Dienstag, 29. März 2011

Introdurre il biglietto

Der Höhepunkt der letzten vierzehn Tage sollte ausgerechnet ein Spiel ohne Rapid-Beteiligung werden. Voi hinig schlug ein Kreidl während dem LASK-Match vor, nächstes Wochenende nach Venedig zu fahren, fünfte Liga, Veneziamestre gegen Treviso. Derby und Spiel um die Tabellenführung. Die Partie gegen die Linzer endete wie geahnt. Das Remis glücklich, aber doch auch mit viel Pech.

Vor der Reise nach Venezia besuchte ein Kreidl-Quartett, das kurzfristig zu einem Trio wurde, aber noch das Nationalteam. Zur Leistung und Stimmung wohl weiterer Kommentar überflüssig.

Schließlich war dann auch bald Sonntag. Dank Zeitumstellung hatte der eine etwas mehr morgendlichen Stress als die anderen. Zum Treffpunkt um halb sechs Uhr morgens waren aber doch alle rechtzeitig. Morgenstund hat Bier im Mund. So konnte auch die restliche Müdigkeit einer kurzen Nacht hinuntergespült werden. So flüssig wie das Bier war auch der Verkehr. Lediglich der Schneefall am Wechsel bereitete uns für ein paar Minuten Kopfzerbrechen, die Sommerreifen hielten den Bedingungen aber Stand. Und weil wir bis auf weniger Pinkelpausen durchfuhren, kamen wir kurz nach zwölf Uhr mittags auch schon an der Adria an. Den Schneefall hatten wir gegen Sonnenschein und angenehme Temperaturen getauscht.

Als wir nun so durch die Gässchen von Venezia streiften, wurden sogar die Englischen von etwas italienischem dolce vita infiziert. In einem kleinen ristorante futterten wir Calzonini, Pizza und gelato. Weil wir aber keinen blassen Schimmer hatten wo sich das Stadio Pierluigi Penzo eigentlich befand, geschweige denn wie wir dort hingelangen sollten, folgten wir von der Piazzale Roma einfach den immer wieder kehrenden Grüppchen mit grün-schwarz-orangen Schals. So tuckerten wir mit den Öffis, in Venedig sind das Boote, no na, an der gesamten Südküste der Stadt entlang, mit schönem Blick auf den Palazzo Ducale und der Basilica di San Marco. Am Parco delle Rimembranze betraten wir dann endlich wieder Festland, wo uns bereits Massen an Heimfans den Weg zum Stadion dirigierten, vorbei an Bars in denen tifosi Espresso schlürften oder birra tranken. Die Exekutive war ziemlich gechilled, womöglich weil Auswärtsfans die Anreise verboten war. Doch auch die beiden Kurven der Unione machten gute Stimmung. Man muss bedenken, dass Veneziamestre nur in der fünften Klasse spielt. Leichte Koordinationsprobleme waren bei der Choreo zu erkennen. Der harte Kern, der sich am einen Ende der Tribüne positioniert, hatte da leider den Großteil der Kurve nicht in Reichweite, weshalb die meisten Fähnchen zu früh in die Höhe gestreckt wurden. Die grünen, schwarzen und orangen Fahnen fungierten als Untermalung einer großen Überrollfahne vor den Vorsängern. Darüber und darunter prangten zwei Transparente mit den Schriftzügen „Si scrive storia…si legge vittoria“. Was so viel bedeutet wie „Wer Geschichte schreibt…liest Erfolg“. Der Grund für die verfrühten Fähnchen dürfte wohl der Spitzenspielcharakter gewesen sein, der halt viele ins stadio zog, die kommen, wenn’s rennt. Halt wie bei Rapid.

Die spielerische Offenbarung war’s zwar nicht, uns wurde aber dennoch ein flottes Spiel geboten, vergleichbar mit dem Niveau in der Stadtliga; an schlechten Tagen vielleicht auch der Regionalliga. Die feine Klinge wurde selten ausgepackt, dafür ließ der Schiedsrichter hart spielen und viele Zweikämpfe laufen, die selbst in unserer Bundesliga wohl abgepfiffen wären. Trotz der Großzügigkeit des Spielleiters flog noch im ersten Durchgang ein Spieler des Tabellenführers aus Treviso vom Platz. Da stand es bereits 0:1 für die Gäste. Die Unione witterte nun die Möglichkeit auf den Ausgleich zumal die Hausherren eh die bessere Mannschaft waren. Angetrieben von melodischen Klängen spielte nur noch Veneziamestre. Zu allem Überfluss wurde dann auch noch der Trainer der Trevisani wegen zu heftiger Kritik in die Kabine geschickt. Veneziamestre drückte auf das Tor. Schließlich pfiff der Schiedsrichter eine der zahlreichen Strafraumszenen zu Gunsten der Veneziani. Der Elfer wurde locker versänkt, die Curva tobte. Die Unione gab sich mit dem Remis aber nicht zufrieden und spielte in gewohnter Drehzahl weiter. Ein Schuss platziert ins Eck ließ die Curva nur wenige Minuten später erneut platzen. Dass der Assistent dabei die Fahne gehoben hatte interessierte dabei keinen. Selbst als das Spiel wieder weiterlief, schien es der Großteil der Kurve immer noch nicht bemerkt zu haben, dass es Abseits war. Die Gäste hielten in Unterzahl wacker dagegen, beschränkten sich aber darauf, das Spiel zu zerstören. In der dreiminütigen Nachspielzeit überschlugen sich dann noch einmal die Ereignisse. Nachdem die Unione den Matchball nicht genutzt hatte, fuhr Treviso einen schnellen Konter und plötzlich sprintete der Gästestürmer frei auf den Torwart zu. Der Angreifer verstolpert aber den Ball und auch sein Kollege war nicht im Stande einen platzierten Schuss abzugeben. Nun konterten die Hausherren im eigenen Stadion, immer noch angetrieben von der leidenschaftlichen Curva von Gate22. Doch auch der letzte Angriff brachte kein weiteres Tor.

Nach der Partie saugten wir noch die letzten Eindrücke italienischer Fußballkultur auf - zumindest für diesen Tag. Anschließend wurde noch ein Gruppenfoto geschossen und ironisch festgestellt, was wir nicht für ein „oages Gruppo“ seien. Gemütlich schlenderten wir danach die Hafenpromenade entlang, ehe wir uns dann doch als blinde Passagiere auf ein Bötchen zwängten und zurück zur Piazzale Roma schipperten. Panini, Caffé Latte und Muffins bescherten uns noch einen leckeren aber teuren kulinarischen Abschied. Mit einem Gruppenfoto am Dach des Parkhauses, mit herrlichem Ausblick über Venezia, rundeten wir schließlich unseren Ausflug ab. Auf der Heimreise wurde weiter geblödelt, aber auch seriös über unsere weitere Zukunft als Gruppe diskutiert. Um zwei Uhr nachts waren wir dann wieder dort, wo wir uns zwanzig Stunden zuvor getroffen hatten.

Freitag, 18. März 2011

Più ultrà

Kurz nach der Pause gelang Salihi mit seinem zweiten Tor das 2:0. Von da an rückte das Derby in einer Woche in den Fokus. Jeder kennt dieses Gefühl, wenn man förmlich auf ein Match brennt, der Kalender aber verrät, dass es erst Montag ist. Egal ob man die kommenden Tage irgendwo in einer Schule paukt, schwachsinnige Mails in einem Büro tippt oder am Bau Zementsackerln schupft, die Woche mag einfach nicht vergehen. Deswegen traf sich ein Teil von uns Mitte der Woche zum Malen. Endprodukt war ein genialer Doppelhalter – der am Verteilerkreis zwar dabei war, der breiten Öffentlichkeit aber leider noch nicht präsentiert wurde.

Dem Mini-Chorteo wurde unsererseits dann wohl etwas zu viel Bedeutung entgegengebracht, sodass unsere Odyssee von Floridsdorf via Kagran via Hütteldorf via Westbahnhof am Reumannplatz doch einen nichtenden wollenden Charakter erhielt. Wenigstens sorgte ein spontanes Dosenbier während einer der zahlreichen Bimfahrten für Erfrischung. Eine Stunde vor Anpfiff passierten wir schließlich die Drehkreuzer und enterten die Stehplätze. Der Fetzen hängte und die Doppelhalter fertig präpariert. Nichtsahnend sollte die Situation vor der Tribüne aber eskalieren. Was genau geschah, bekamen wir nicht detailgetreu mit, Fakt war, dass dutzende gepanzerte Exekutivkräfte provozierend vor der Tribüne aufmaschiert waren. Dass die Einsatzphilosophie an Hand weniger miterlebter Szenen aber wohl nicht normgerecht praktiziert wurde, war uns schnell klar. Im Dialog wurde höchstens ein „Wos wüst?!“ entgegnet und deeskalierend wirkte der Tross von uniformierten Turtles auch nicht gerade. Lediglich bei der Durchsetzung waren die Bullen tatkräftig. Bis zu fünfzehn Verhaftungen sollen es gewesen sein, Zeitungsberichte tags darauf erwähnten lediglich eine einzige.

Insofern war der Protest gegen das harsche Vorgehen der Exekutive logische Konsequenz und die Fetzen verschwanden wieder vom Zaun – lediglich ein ACAB-Banner blieb. Die Wut stachelte die Stimmung förmlich auf, vergleichbar mit Anderlecht auswärts 2007. Auf Doppelhalter oder Fahnen wurde verzichtet. Die Kurve brannte! Nicht nur akustisch. Zig Bengalen wurden angerissen, mal da, mal dort. Chaos pur! Das war ultrà! Unsere Vertreter auf dem Platz taten ihr übriges, in Durchgang Eins noch zahm wie Schmusekatzen, in Durchgang Zwei aber bissig wie wilde Löwen. Die Schlachtgesänge trieben unsere Mannschaft weiter voran, ihr Pressing motivierte die Kurve noch inbrünstiger anzufeuern. Ein Teufelskreis in die richtige Richtung! Und dann hatte das Chaos seinen Höhepunkt erreicht. Salihi staubt zum 1:0 ab, die Kurve explodiert! Wie in italienischen Kurven sprinten die ersten fünf Reihen entsinnt Richtung Zaun und wollen den Torschützen förmlich zerfleischen. Aggressionen, Freude, Erleichterung. Eine geordnete Gefühlswelt hat man in diesem Moment nicht. Italienischer geht’s nicht mehr! Più ultrà è impossibile!

Die kommenden Reaktionen sind dann individuell. Viele singen lauter und intensiver. Die Gesänge erreichen ein ohrenbetäubendes Niveau. Manche, aber werden ruhiger. Ich zähle zu zweiteren. Die späte Führung und die wenig verbleibende Spielzeit entwickelt in mir stets ein Gefühl der Bedrückung. Als Spieler wäre das der komplett falsche Weg. Als Fan kann ich mir es aber Gott sei Dank erlauben. Und dann erwische ich mich dabei, dass ich gar nicht mehr in der Lage bin, den aktuellen Chant weiter zu singen, obwohl der Gegner gerade in der Innenverteidigung querspielt. Nur unser fettes Zyro reißt mich kurz aus dieser Lethargie. Plötzlich entfacht mitten im Block ein gelber Lichtball und weißer Rauch. Mehr als bei einem normalen Bengalen. Viel mehr! Und so schnell wie das Ding da war, ist es auch schon wieder weg. Die Lücke schließt sich wieder, der Gesang geht weiter. So gut wie’s halt geht. Und als dann endlich, der erlösende Abpfiff kommt, fühle ich mich erschöpft und ausgelaugt, aber glücklich.

Dienstag, 15. März 2011

Pao! Christina! Anita! und Bettina!

Oder Mattersburg auswärts. Wir alle, die einen viel zu langen Tag in der Uni, bei der Arbeit oder beim Beerenpflücken verbrachten, waren voller Vorfreude für diesen Dienstagabend. Drei Punkte als Pflichterfüllung, so lautete der Auftrag. Traditionen soll man hegen und pflegen, meinen wir. Getreu dieser Gesinnung, startete der Kreidlbus zum wiederholten Mal unpünktlich wie die Uhr. Ebenso kultig wie traditionell ist unser Parkplatz im Burgenland. In altbewährter Manier ging es rauf auf den Randstein und direkt vorm Eingang der Lila Beute-Filiale wurde gehalten. Hauptsache irgendwo stehen, meinte der Fahrer. Das Spiel war eine einzige Enttäuschung. Boden hin, Boden her, das war zum Genieren. Der Anfang vom Ende war schon die Aufstellung. Nuhiu, der sich logischerweise als großer Spieler auf dem eisglatten Boden schwerer tut als seine Untertanen, war dermaßen abgemeldet, dass ein eingepflanzter Baum a hilfreichere Anspielstation gwesen wär. Hofmann, der noch der Einzige war, der ein bisschen Linie in unser Spiel gebracht hatte, wurde ausgewechselt. Unverständlich! Im Endeffekt warens elf Hilflose, die auf der Bauernwiese herumirrten. Die Kurve quittierte dies entsprechend. Da es bei der Heimfahrt keinen Grund für Lobeshymnen gab, wurden eben Pao! Christina! Anita! und Bettina! besungen. Was bleibt ist die Erkenntnis: Es muss sich was ändern.

Der in der Woche darauf folgende Pflichtsieg gegen Ried ändert nichts an dem immer größer werdenden Unmut der Szene. Doch hier sagen wir nicht zu allem ja und Amen was uns vorgehalten wird. Zu wenige unterscheiden unserer Meinung nach zwischen persönlichen Aversionen gegen die Privatperson Pacult bzw. dessen Vergangenheit und seinen fachlichen Qualitäten als Trainer. Mission 32, wast no? Deswegen sind wir Pacult neutral. Lossts erm arbeitn. Hörtnagels Arbeitsweise ist angreifbarer und auch Teilen von uns ein Dorn im Auge.

Wochenends drauf war Derby. Hoffen, beten, brennen, bastln (Linz-Voodoo Puppn). Ois fia Rapid! Dazu aber zu einem späteren Zeitpunkt mehr.